Sinnlichkeit und Abstraktion

Mediengespräche im Kino

Vorträge über Ästhetik und Intermedialität – über alte und neue Formen von Theater, Film und Neuen Medien

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien und dem VotivKino

Mit Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Wien und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Konzept und Organisation: Dr. Franz Grafl

16. Ausgabe: Sonntag, 26. Oktober 2003, 11 Uhr

JAMES JOYCE GEHT INS KINO

Kurt Palm

Kurt Palm: „If you are looking for the bilder deep your ear on the movietone!“

Im Gegensatz zu jenen Schriftstellern, die dem Kino skeptisch gegenüber standen, weil ihm immer noch der Geruch der Jahrmarktsbuden anhaftete, bekannte sich Joyce zu diesem Medium, das längst zu einem Medium der Massen geworden war. Während sich etwa Ezra Pound im September 1915 in einem Brief an Joyce abfällig über das Kino äußerte, weil es Unterhaltung „auf billigstem Niveau“ biete, nutzte Joyce die ganze Bandbreite des Filmangebots und sah sich im Laufe der Jahre nicht nur Filme von Sergej Eisenstein, Charlie Chaplin und Josef von Sternberg an, sondern auch billige Operettenverfilmungen, exotische Dokumentarfilme oder „Skandalfilme“ wie etwa „Ekstase“ von Gustav Machaty.

12 Uhr

In-Schwimmen-Zwei-Vögel (Österreich 1997, Kurt Palm)

17. Ausgabe: Sonntag, 30. November 2003, 11 Uhr

WERKSTATTGESPRÄCH

ZUM ERSTEN MAL VOR DER KAMERA – Laienschauspiel in „Twinni“

Ulrike Schweiger

Am Sonntag, 30. November 2003, ist ein Werkstattgespräch mit Ulrike Schweiger und ihrer 13-jährigen Hauptdarstellerin Diana Latzko zu ihrem Film „Twinni“ geplant. Gezeigt werden Filmausschnitte zu Casting, Dreharbeiten und einzelnen Filmszenen. Auf diese Weise wird die Arbeit von Laiendarstellerinnen vor der Kamera beleuchtet.

Schwerpunkte zum Thema Laien am Beispiel „Twinni“ sind:

Casting und Besetzung: Prüfen von Figurenkonstellationen

Proben und Dialogregie; Improvisation versus Fixtext

Drehen mit Jugendlichen

Zusammenarbeit zwischen Laien und Profischauspielern

Bester Spielfilm beim Frauenfilmfestival in Bordeaux: „Das Festival International du Cinéma au Feminin von Bordeaux ging mit einem Erfolg für den österreichischen Film zu Ende. Ulrike Schweigers Langfilmdebüt Twinni wurde mit der Vague d’or (Goldene Welle), dem Preis für den besten Spielfilm, ausgezeichnet.“

„Pubertieren in der Zeitmaschine: Twinni ist der erste gelungene österreichische Versuch, einen Teenager-Film zu machen, der dramatische Qualität erreicht, ohne dabei in die Tristesse-Falle des österreichischen Films zu tappen. Das verhindern die unaufdringlichen Profi-Stardarstellerinnen (Hofstätter, Burkhard, Mottl), die wunderbar harmonierenden Mädchen- bzw. Bubenviererbanden und die liebevoll gezeichneten Nebenfiguren (vor allem der den Pfarrer spielende Horst Backfrieder, im echten Leben ein Sportlehrer) und ein unsentimentales Drehbuch, das Schweiger gemeinsam mit Nordrand-Akteur Michael Taczos geschrieben hat.“ (FM 4 JOURNAL 03/28. August)

12 Uhr

Twinni (Österreich 2003, Ulrike Schweiger)

18. Ausgabe: Sonntag, 14. Dezember 2003, 11 Uhr

EINBILDUNGEN OHNE EIGENTÜMER – Interpassivität und das Lustprinzip in der Kultur

Robert Pfaller

Mit dem Begriff Interpassivität bezeichne ich das eigentümliche Verhalten bestimmter Leute, die zum Beispiel ihren Videorecorder einsetzen, um nicht selbst fernsehen zu müssen, und die Fotokopierapparate, um sich das Lesen zu ersparen. Dieses Verhalten beinhaltet immer auch eine bestimmte Illusion. Es wird fernsehen bzw. lesen gespielt – man weiß allerdings nicht recht, für wen. Genau diese Art von „anonymer“ lllusion, von der nicht klar ist, wen sie täuschen soll, liegt allem zugrunde, was in der Kultur Lust bereitet: den Spielen, dem Sport, der Erotik, der Kunst – und insbesondere der Komödie.

12 Uhr

The Awful Truth (USA 1937, Leo McCarey)

19. Ausgabe: Sonntag, 28. März 2004, 11 Uhr

DIE WELT ALS GRENZERFAHRUNG

Jean-Louis Poitevin

Macht als Mittel, um in eine Welt der Ausnahmen eintreten zu können. Pasolini filmte so, dass die Macht über den Körper nicht mit der Lust am Körper verwechselt werden kann. De Sade hatte die Verrücktheit der Vernunft beschrieben. Pasolini fragt filmisch nach den Chancen, das noch nicht Mögliche zu artikulieren. Das Mögliche ist das, was noch nicht real ist. Zwischen Realität und Fiktion gibt es Platz für eine Zwischenwelt. Pasolini versucht, einen Blick für uns in diese Welt zu ermöglichen. Pasolini macht in diesem Film das Unmögliche möglich, indem er die Realität überschreitet und uns in eine andere Welt führt, wo die Körper für ein konkret-abstraktes Ballett verwendet werden. Er versucht eine Körpersprache zu entdecken, wo Körper andere Körper zwingen, eine unmögliche Geschichte zu schreiben. Dabei spielt die Innenarchitektur des Hauses im Film eine große Rolle.

12 Uhr

Salo oder die 120 Tage von Sodom (Frankreich/Italien 1975, Pier Paolo Pasolini, italienische OF mit franz. UT, deutsch eingesprochen)

Vortrag in deutscher Sprache

Vortrag in französischer Sprache

20. Ausgabe: Sonntag, 25. April 2004, 11 Uhr

ERRETTUNG DES FILMS – IM KONTEXT VON REMEDIATION UND INTERMEDIALITÄT

Chiel Kattenbelt

Bertoluccis Il Conformista/Der große Irrtum hat bei seinem Erscheinen viel Staub aufgewirbelt. Einige Kritiker sahen in dem Film eine vermeintliche Beziehung zwischen (unterdrückter) Homosexualität und Faschismus. Der Vortragende geht der Frage nach, ob eine solche eindeutige Interpretation gerechtfertigt ist. Sorgfältig orchestrierte Bertolucci die Ambiguität seines Films. (Chiel Kattenbelt)

12 Uhr

Der große Irrtum (Il Conformista, Italien/Frankreich 1969/1970, Bernardo Bertolucci)

21. Ausgabe: Sonntag, 6. Juni 2004, 11 Uhr

HÖRENSAGEN: „PLANET SHAW“, PRODUKTIONSFIRMA AUS HONGKONG

Christoph Huber, „Die Presse“

Work in progress: ein Versuch zur ästhetischen Standortbestimmung an Hand der gut 100 bisher wieder zugänglichen Filme der Hongkong-Produktionsfirma Shaw Brothers, die das größte Filmstudio Asiens war. Zwischen 1958 und 1985 wurden – meist in Akkordarbeit – an die 1000 Filme hergestellt. Nach seiner Schließung blieben die Filme des Studios lange unter Verschluss und waren, wenn überhaupt, allenfalls auf verdächtigen Bootleg-Videokassetten zu sichten. Seit Dezember 2002 wird der Großteil der Produktion systematisch auf DVD wieder veröffentlicht und ist auch für den Kinobetrieb wieder zugänglich. Es ist ein wenig, als wären alle (bedeutenden und unbedeutenden) Filme einer großen Hollywoodfirma für Dekaden nur vom Hörensagen überliefert worden.

12 Uhr

Human Laterns (Hongkong 1982, Sun Chung, englische Originalfassung)

22. Ausgabe: Sonntag, 5. Dezember 2004, 12 Uhr

KINO ALS KONSOLE – DER FILM IM PHYSIOLOGISCHEN NAH- UND FERNSEHEN

Peter Mahr, Universität Wien

Der schlechte Geschmack im Fernsehen, die virale Struktur von digitalen Netzen, die Pränatalisierung des Videonarzissmus, die Verschmelzung von stationärer und mobiler, distanter und taktiler Kommunikation, die neuen Plug-Ins, die zunehmende Variabilität von Abläufen im TV und anderen Medien – all diese neuen Tendenzen ergreifen den Kinofilm von Grund auf. David Cronenberg gibt darauf mit „eXistenZ“ eine Antwort, und zwar in Form einer Computer-Game-Satire, die zugleich die gegenwärtige Produktion, Distribution und Rezeption von Filmen parodiert. Dabei geht es auch um eine Befragung der neuen physiologischen (Tele)kommunikationsspiele in bezug auf ihren Status als postkinematographische Kunst, die den Plot, die Regie und den performativen Raum neu regelt.

12 Uhr 45

eXistenZ (David Cronenberg, Kanada/Großbritannien 1999)

23. Ausgabe: Sonntag, 19. Dezember 2004, 12 Uhr

2. WERKSTATTGESPRÄCH IM RAHMEN DER LECTURES – RÄUME DES ERZÄHLENS

Götz Spielmann, Regisseur von „Antares“, 2004

Götz Spielmann, Regisseur von Antares (österreichischer Beitrag zum Auslandsoscar) im Gespräch mit Franz Grafl, über das Erzählen in Bildern und in Tönen im österreichischen Film, im Besonderen bei „Antares“.

12 Uhr 45

Sans Soleil (Chris Marker, Frankreich 1983)

24. Ausgabe: Sonntag, 30. Jänner 2005, 12 Uhr

DIE LÄCHERLICHKEIT VON ZENSUR – DER FALL „DAS LIEBESKONZIL“ UND DESSEN AUSWIRKUNGEN

Dietmar Zingl, Leo Kino Innsbruck

Erfahrungen mit Zensur im Kulturbereich

12 Uhr 45

Das Liebeskonzil (Werner Schröter, BRD 1982)

25. Ausgabe: Sonntag, 24.4.2005, 11 Uhr

ORIENTALISM IN CINEMA – ORIENTALISMUS UND ÄGYPTOMANIE IM KINO (Vortrag in englischer, Diskussion in deutscher Sprache)

Antonia Lant, Universität Wien und New York

Austria was among the ranks of Western countries fascinated by ancient Egypt.

What form did the West’s fascination with ancient Egypt take at the cinema?

Cinema was enamoured of ancient Egypt well before the opening of Tutankhamen’s tomb in late November 1922. Professor Antonia Lant illuminates cinegyptomania through the work of film critics, costume designers, script writers and cinema architects as well as film directors. She discusses two short films in detail, “The Princess in the Vase”, (1908) featuring the ingénue actor D.W. Griffith, and the animated “Egyptian Melodies” (1931), by way of introducing “The Mummy” (Universal, USA, 1932), directed in Hollywood by émigré Karl Freund and featuring fellow Austrian Zita Johann.

12 Uhr

Beispiele aus der Frühzeit des Kinos

26. Ausgabe: Sonntag, 22. Mai 2005, 11 Uhr

DIE ABRÜSTUNG DES DRAMATISCHEN

Christian Schulte, FU Berlin

Über seine Filme schrieb Alexander Kluge einmal: “Das alles hat den Charakter einer Baustelle. Es ist grundsätzlich imperfekt“. Was derart defizitär klingt, ist in Wahrheit Teil eines Filmverständnisses, das sich bewusst außerhalb des mainstream positioniert. Selbst wenn Kluges Filme erzählen, geht es nicht um die homogene Entwicklung eines Plots, sondern vielmehr um ein Erzählen in der Nähe des Nullpunktes, nicht um dramatische Steigerung und Suspense, sondern um den Abbau des Dramatischen bis in die Form hinein. Kluges Filme sind verrätselt. Sie muten dem Zuschauer etwas zu, weil sie ihn und seine Erfahrung ernst nehmen. So ernst, dass er die heimliche Hauptrolle spielt – in Filmen ohne Rabatt.

12 Uhr

Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit (Alexander Kluge, BRD 1985)

27. Ausgabe: Sonntag, 19. Juni 2005, 11 Uhr

VERSCHWÖRUNG UND FILM: PARANOIA UND ERKENNTNIS BEI JONATHAN DEMME, JOHN FRANKENHEIMER UND DAVID FINCHER

Die politische Verschwörung hat in The Mandchurian Candidate aus dem Jahr 1962 die hysterischen Dimensionen des Kalten Krieges. Subversion und Gegensubversion, Kommunismus und Antikommunismus lässt Regisseur John Frankenheimer in surrealen Montagen ineinander über- und aufgehen. Jonathan Demmes Remaike von 2004 remodelliert das erzählerische Material und passt es an gegenwärtige Verhältnisse an: ohne die Terrorgefahr direkt ins Bild zu setzen, kreiert Demme eine Atmosphäre des virtuellen Ausnahmezustandes. Ein Vergleich der beiden Kandidaten oder: vom National Security State zur Mediendemokratie.

Dominik Kamalzadeh, Der Standard Wien

12 Uhr

The Manchurian Candidate – Der Manchurian Kandidat  (Jonathan Demme, USA 2004)

“Eine großartige Meryl Streep kann wie eine dämonische Version von Hillary Clinton agieren, und Denzel Washington, überzeugend wie schon lange nicht, an der Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit einer Wahrheit hinterher spüren, die allein jene des Genres ist.” (Dominik Kamalzadeh)

28. Ausgabe: Sonntag, 23.10.2005, 11 Uhr

DER „JÜDISCHE BLICK“ VON DER LEINWAND – IDENTITÄTSBEGIERDEN VON KAMERA UND ZUSCHAUER

Frank Stern, Institut für Zeitgeschichte, Wien

Seit den 20er Jahren finden sich im deutschsprachigen Film immer wieder Darstellungen von Jüdinnen und Juden, die sich auf deren szenische Blicke und die suchenden Blicke der Zuschauer konzentrieren. Damals und heute bannen uns in diesen Blicken Sinnlichkeit und Tod, Antisemitismus und Philosemitismus, werden hier aber auch Probleme von Casting, Kameraarbeit und kultureller Erinnerung visualisiert.

12 Uhr

Dieu est grand – je suis tout petite (Pascale Bailly, Frankreich 2001, französische Originalfassung mit englischen Untertiteln)

Michelle fühlt sich schrecklich, seit sie sich von ihrem Freund getrennt hat. Sie begegnet François, Tierarzt und Jude. Michelle entscheidet sich, bekennende Jüdin zu werden, denn an irgend etwas muss sie glauben – oder an irgend jemanden.

29. Ausgabe: Sonntag, 13. November 2005, 11 Uhr

IDENTITÄT, OFFENHEIT, TRANSFORMATION – VOM POPULÄREN WANDERTHEATER ZUM HOMEVIDEO IN WESTAFRIKA

Joachim Fiebach, Humboldt Universität Berlin

Das moderne Yoruba Wandertheater, zwischen den 1950er und den 1980er Jahren eine der wichtigsten und bedeutendsten Theaterformen Afrikas, verschwand als Live-Theater innerhalb eines Jahrzehnts: eine Vielzahl seiner wichtigsten Akteure ging Anfang der 90er Jahre in die Feature-Video-Produktion.

12 Uhr

Ausschnitte aus westafrikanischen Videoproduktionen

30. Ausgabe: Sonntag, 11. Dezember 2005, 11 Uhr

WERKSTATTGESPRÄCH ZU EINEM AKTUELLEN ÖSTERREICHISCHEN FILM: „WE FEED THE WORLD“, Österreich 2005, Erwin Wagnhofer

Der Regisseur Erwin Wagnhofer spricht mit Franz Grafl über seinen Film und über die aktuelle Situation der Dokumentarfilmarbeit im Zeitalter der neuen Medien.

12 Uhr

We Feed the World (Erwin Wagnhofer, Österreich 2005)

31. Ausgabe: Sonntag, 29.1.2006, 11 Uhr

„UNSER ALTES KINO IST NOCH IMMER UNSERE VERFÜHRERISCHE CASA NOVA“

         Reinhard Tramontana, profil, Wien

         Mit Erschütterung erfuhren wir bei Redaktionsschluss vom Tod Reinhard Tramontanas.

Mit Textcollagen aus seinen Beiträgen, die seine Liebe zum Medium Film ausdrücken, werden wir seiner gedenken. Damit wollen wir den von ihm gewählten Titel in dieser Lecture nachempfinden. Danach sehen wir uns gemeinsam den Film an, den er für diese Lecture ausgesucht hat und der sein Lieblingsfilm war.

Die Texte werden von Martina Lassacher gelesen.

Thomas Berghammer wird die Lesung musikalisch begleiten.

12 Uhr

Wunschfilm von Reinhard Tramontana: Some Like It Hot (Billy Wilder, USA 1959, O.m.U.)

37. Ausgabe, Sonntag, 28.01.2007, 11 Uhr

„IST DA JEMAND?“ – ZUR NICHT IDENTIFIZIERTEN SUBJEKTIVE IN JESSICA HAUSNERS HOTEL

Andrea B. Braidt, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft Wien

Das Erzählbild von Hotel gibt Aufschluss über eine zentrale Perspektive in Jessica Hausners Film: am Kinoplakat wird eine Frau in rotem Kleid von hinten gezeigt, wie sie vom Hellen ins Dunkle geht. Der Gegenschuss würde erschließen, wer die Frau bei diesem Gang beobachtet, allein, diese Einstellung fehlt im Film. Welche Effekte diese typische Horrorfilmkonvention zeitigt und wie sie in Hotel zum Einsatz kommt, darüber wird im Vortrag die Rede sein.

12 Uhr

Hotel (Österreich 2004, Jessica Hausner)

 

 

 

 

Idee: franz.grafl@pitanga.at (Anregungen, Bemerkungen)